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Einmal Hölle und zurück

Der Kirchenpatron von Umhausen – der Hl. Vitus – wurde laut einer Legende, von einer Amme im christlichen Glauben erzogen. Als das sein Vater erfuhr, gefiel ihm das überhaupt nicht. Er wollte Vitus von seinem Glauben abbringen und später sogar umbringen. Dieser familiäre Konflikt, die Konfrontation mit dem Glauben und die Ausgrenzung innerhalb der Familie sind alles Themen, die auch in das 21 Jhdt. passen. Was passiert mit Kindern, die von der Familie oder ihren Eltern verstoßen werden? Die meisten kommen ins Heim.

Vor vielen Jahren hat es die Enthüllung von Missständen in vielen Tiroler Erziehungsheimen gegeben. Martinsbühel war ein negatives Paradebeispiel, wo Kinder gedemütigt und misshandelt wurden. Über Jahre hinweg blieben die Missstände im Dunklen. Wir wollen diese wieder ins Licht rücken. Und zwar ins Rampenlicht. Deshalb widmen wir unsere Spielsaison heuer dem stillen Schrei, den viele Kinder in den 70er Jahren in den Heimen erleben mussten. Gewalt und Demütigungen waren da an der Tagesordnung. 14 ehemalige Heimkinder haben sich bereit erklärt, ihre Geschichten zu erzählen. Aus dieser Vielzahl an Erlebnissen haben wir ein Theaterstück verfasst. Für uns eine große Herausforderung und Bürde zugleich.

„Wer das Schweigen bricht, bricht die Macht der Täter“

In den Erziehungsheimen von Stadt, Land und Orden wurden Kinder in Not gedemütigt, geschlagen und sexueller Gewalt ausgesetzt, jahrzehntelang und systematisch. Es waren die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen in der 2. Republik. Viele dieser Kinder aus armen Familien blieben traumatisiert, ein Leben lang. Kaum jemand interessierte sich für ihre Geschichte und auch sie schwiegen: aus Angst und Scham. Gewalt gegen Kinder gibt es immer noch. Schauen wir hin und nicht weg.

Die Theatergruppe Vorderes Ötztal trägt dazu bei, das Leid der Überlebenden anzuerkennen und es im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft zu verankern.

Horst Schreiber | Hochschullehrer & Buchautor | Initiator der Opferschutzkommission Tirol

"In meiner Nähe darf keiner ein Kind schlagen, weil ich weiß, was Schmerzen sind, und wie verletzlich ein Kind ist."

"Ich glaube, die Menschen lernen daraus. Oder zumindest werden sie hellhörig, wenn man Kinder misshandelt oder missbraucht."

"Durch die Therapie und durch die Gruppe geht es mir wesentlich, wesentlich besser. Und ich hoffe, die bleibt noch lange, die Gruppe."

"Ich versuche schon alles zu verdrängen, aber es kommt."

Liebe Theaterfreunde

Von einer Idee auf die Bühne, so könnte man die Entstehung dieses Stückes mit wenigen Worten beschreiben. Zur 800 Jahr Feier der Pfarrkirche Umhausen bekamen wir die Anfrage, ob man es sich vorstellen könnte, ein Stück zu spielen, um so zu dieser Feier etwas beizutragen. Ein kurzer Moment und es war klar: Ja, das machen wir. Wenn auch auf unsere Art und Weise. Etwas „Eigenes“ sollte entstehen. Leider machte uns dieses Corona einen Strich durch die Rechnung aber der Gedanke, die Idee blieb.

Unser Kirchenpatron – der Hl. Vitus – wurde laut Legende im Auftrag seines Vaters umgebracht. Dieser hat sich nämlich dem katholischen Glauben zugewandt, was seinem Vater überhaupt nicht gefiel. So sind es meist die kleinen Gedanken, die zur zündenden Idee führen, sodass ein Feuer der Phantasie entsteht und der Kreativität freien Lauf gelassen werden kann.

Ehemalige Heimkinder haben sich vor vielen Jahren bereit erklärt, ihre Geschichten und Erlebnisse in den Heimen zu erzählen, öffentlich zu machen und das Schweigen damit zu brechen. Für uns unvorstellbar, was Kinder und Jugendliche in den verschiedenen Heimen alles erlebt haben. Verbale Übergriffe oder Beschimpfungen waren da noch harmlos. Diese Erlebnisse haben bei den Betroffenen Narben hinterlassen und gewiss nicht jeder kann darüber sprechen. Sei es aus Scham, psychischer Belastung oder Angst, dass man nicht ernst genommen wird. Für jemanden, der in einem „normalen“ Umfeld aufgewachsen ist, sind diese Geschichten kaum vorstellbar.

Darum ist es uns wichtig dieses Thema aufzugreifen, darüber zu reden und nicht tot zu schweigen. Es darf keinesfalls in Vergessenheit geraten. Das Theater – die Bühne, ist der perfekte Ort der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten und zu zeigen, wie in solchen Heimen der Alltag von Kindern bestritten wurde. Für uns ist es eine große Herausforderung und Bürde zugleich. Die Erzählungen und Erlebnisse der ehemaligen Heimkinder durften wir verwenden, um daraus nun dieses Theaterstück zu schreiben und entstehen zu lassen. Die Geschichten sind uns sehr ans Herz gewachsen und wir möchten die Zuseher wachrütteln, ihnen zeigen, was so alles hinter verschlossenen Türen passiert.

In der Vorbereitung dieses Stückes habe ich in meinem Umfeld mit Menschen gesprochen, die ein ähnliches Schicksal in einem Heim oder der eigenen Familie hatten. Wir glauben oft Menschen zu kennen, kennen aber doch deren dunkle Vergangenheiten nicht immer. Für viele ist es eine große Hürde darüber zu sprechen, da die Erlebnisse sehr tief sitzen. Mit diesem Stück wollen wir das Schweigen brechen, um Platz zu schaffen und darüber zu reden.

Als Theatergruppe durften wir schon viele tolle und unvergessliche Projekte auf die Bühne bringen. Das heurige Stück ist aber was ganz Besonderes für uns, denn vom ersten Satz im Textbuch bis hin zum letzten Abgang auf der Bühne, ist es uns gelungen eine Eigenproduktion auf die Beine zu stellen. Der Text, Regie und Inszenierung aus eigener Feder. Eine große Herausforderung für uns alle, die wir gerne, aber mit großem Respekt angenommen haben. Wir freuen uns, einen spannenden Sommer mit unserem Publikum zu erleben.

Euer Lukas Leiter

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